Autor*innen: Stefan Fischer, Moritz Stabe, Lilian Topp
Ein Beitrag der dgp informationen – das Download-PDF finden Sie am Ende des Artikels.
Im Zusammenhang mit New Work, flexibler Arbeitsgestaltung und zukunftsorientierten Arbeitszeitmodellen steht auch das Konzept der 4-Tage-Woche im Fokus von Unternehmen, Arbeitnehmer*innen, Politik, Wissenschaft und Medien. Ein viel diskutiertes Modell, das sowohl Verfechter*innen als auch Kritiker*innen auf den Plan ruft.
Doch gibt es überhaupt DIE 4-Tage-Woche? Was halten deutsche Arbeitnehmer*innen von der Idee einer verkürzten Arbeitswoche? Und welche (ersten) empirischen Erkenntnisse gibt es diesbezüglich? Der vorliegende Artikel versucht (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), Antworten auf diese Fragen zu finden und damit einen Beitrag bezüglich der Diskussion zu leisten, ob Vier wirklich gewinnt.
Historische Einordnung
Die Frage nach der wöchentlichen Arbeitszeit von Arbeitnehmer*innen ist seit rund zwei
Jahrhunderten Gegenstand intensiver politischer und gesellschaftlicher Debatten. Um
den Kontext der gegenwärtigen Diskussion über die 4-Tage-Woche besser zu verstehen,
soll zu Beginn ein kurzer historischer Abriss gegeben werden.
Arbeitszeitreduzierungen seit der
Industrialisierung
Ähnlich wie in anderen industrialisierten Ländern gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts in
Deutschland faktisch keine verbindlichen Arbeitszeitregelungen. Die Arbeitstage waren mit oftmals 16 Stunden extrem lang und kaum reguliert; sechs Tage Arbeit pro Woche
stellten keine Seltenheit dar. Dies galt damals nicht nur für erwachsene Arbeitende, sondern durchaus weit verbreitet auch für Kinder. Die Folgen dieser nach heutigen Maßstäben unmenschlichen Bedingungen waren häufige Unfälle, massive gesundheitliche Probleme der Beschäftigten und eine geringe Lebenserwartung (Meiners, 2023).
Im späteren 19. Jahrhundert traten erste gesetzliche Regelungen in Kraft, die dem Zweck
dienten, der weit verbreiteten Ausbeutung entgegenzuwirken und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern. Auf Druck von Gewerkschaften und sozialen Reformern wurde beispielsweise in Großbritannien 1833 der Factory Act verabschiedet, der allerdings zunächst nur die Arbeitszeit von Kindern (!) begrenzte (Wallenfeldt, 2023). In Preußen wurde 1839 das Preußische Regulativ verabschiedet; auch dieses regelte die Arbeitszeit von Kindern und Jugendlichen. 1889 dann folgte das Arbeitsschutzgesetz, das die Arbeitszeit für Frauen und Jugendliche begrenzte und allgemeine Arbeitsschutzbestimmungen einführte (Kaufhold, 1989).
Als Ergebnis von Arbeiterstreiks und steigendem politischen Druck verbesserten sich zu
Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Ländern die Arbeitsbedingungen weiter. So wurde vielerorts der 8-Stunden-Tag bei einer 48-Stunden-Woche eingeführt. In der Weimarer Republik erfolgte die Einführung des 8-Stunden-Tags im Jahr 1918; hier vor allem im Lichte der Novemberrevolution und des steigenden Drucks der Arbeiterbewegung (Schwarz, 2017).
In der Zeit des nationalsozialistischen Terrors wurden wesentliche Arbeitszeitregelungen
wieder außer Kraft gesetzt. Es galt die Kriegswirtschaft, in der maximale Arbeitszeiten abverlangt wurden. Hinzu kam Zwangsarbeit in einem bis dahin nie dagewesenen Ausmaß
(Schneider, 2014).
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Westdeutschland die Arbeitsschutzgesetze wieder eingeführt und weiterentwickelt. Die Arbeitszeiten wurden schrittweise reduziert, und es kam zur Einführung der 40-Stunden-Woche sowie zur stärkeren Regulierung von
Überstunden und Nachtarbeit. In der DDR waren die Arbeitszeiten ebenfalls gesetzlich
geregelt, mit Fokus auf Vollbeschäftigung. Die Arbeitswoche betrug anfangs 43,75 Stunden, wurde aber in den 1960er-Jahren auf 40 Stunden reduziert (Schröder, 2018).
Nach der Wiedervereinigung im Jahre 1990 wurden die Arbeitszeitgesetze der Bundesrepublik auf das Gebiet der ehemaligen DDR ausgedehnt. Seitdem hat sich in Deutschland ein Trend zu flexibleren Arbeitszeitmodellen entwickelt, einschließlich Teilzeitarbeit, Gleitzeit und Homeoffice. Auch die Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewinnen an Bedeutung bei der Arbeitszeitgestaltung.
Die 4-Tage-Woche aufgrund
äußerer Umstände
Neben dem Einfluss von Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Akteur*innen,
gab es auch immer wieder äußere Umstände, die zu veränderten Arbeitszeitmodellen geführt haben, wenngleich auch meist nur temporär.
Die „Great Depression“ in den USA
(1930er-Jahre)
In den USA führte die als „Great Depression“ bezeichnete schwere Wirtschaftskrise in den
1930er-Jahren zu einer verstärkten Diskussion über die Arbeitszeitverkürzung. Die Gewerkschaften forderten kürzere Arbeitswochen, um Arbeitsplätze für mehr Menschen
zu schaffen. Diese Forderungen führten 1938 zur Einführung des Fair Labor Standards Act
(FLSA), der die 40-Stunden-Woche und die Überstundenregelungen in den USA festlegte
(Blomert, 2009).
Die Energiekrise (1970er-Jahre)
Die Einführung der 4-Tage-Woche während der Energiekrise in den 1970er-Jahren war
eine Reaktion auf die steigenden Energiekosten und die Bemühungen, den Energieverbrauch zu reduzieren. Indem man an einem Tag pro Woche die Arbeitsplätze und damit den Energiebedarf in Büros, Fabriken und Verkehrssystemen reduzierte, sollte Energie eingespart werden. In diesem Modell wurden die Arbeitszeiten an den verbleibenden Arbeitstagen verlängert, in der Regel auf 10 Stunden pro Tag. Die Umsetzung war nicht einheitlich, nahezu alle Betriebe kehrten nach dem Abklingen der Energiekrise und der damit verbundenen Stabilisierung der Energiepreise wieder zum vorherigen Arbeitszeitmodell zurück (Eklkofer, 2014).
COVID-19-Pandemie (2020er-Jahre)
Auch die COVID-Pandemie veränderte unsere Arbeitswelt nachhaltig. Aufgrund der Notwendigkeit von Telearbeit, ausbleibender Aufträge sowie Kurzarbeit mussten Arbeitszeitmodelle flexibilisiert und angepasst werden (z.B. Alipour, Falck & Schüller, 2020; Haraldsson & Kellam, 2021). Gleichwohl es zu früh ist, um die langfristigen Auswirkungen
dieser Umstellung zu evaluieren, kann spekuliert werden, dass diese einen Beitrag auf dem
Weg zur 4-Tage-Woche darstellen.
4-Tage-Woche als Ausdruck der Work-Life-Balance und als Maßnahme des Personalmarketings
Die gegenwärtige Diskussion der 4-Tage-Woche ist klar zu sehen im Lichte des zunehmenden Fachkräftemangels und einer grundlegend veränderten Bedürfnislage auf Seiten der Beschäftigten. Neben der Suche nach Sinn und Zweck der Arbeit stehen für sie Aspekte wie nachhaltige Beschäftigungsmodelle, Gesundheit und Wohlbefinden und eine
gute Balance zwischen Job sowie Privatleben klar im Vordergrund. Arbeitgeber*innen, die
hier entsprechende Angebote machen, erhoffen sich Vorteile im Wettbewerb um Fachkräfte und Talente (Feid et al., 2024).
Modelle der 4-Tage-Woche
Bei Betrachtung der gegenwärtigen Diskussion fällt zunächst einmal auf, dass es das
eine Modell nicht gibt. Unterschiedliche Varianten wurden und werden erprobt, von
denen hier einige vorgestellt werden sollen.
Beibehaltung der Wochenarbeitszeit bei Aufteilung auf vier Tage
Bei diesem Modell werden weder die Vergütung noch die wöchentliche Arbeitszeit
angepasst. Die bislang an fünf Tagen geleistete Arbeit wird an vier Tagen erbracht,
so dass ein zusätzlicher freier Tag zur Verfügung steht. Bei einer Vollzeitstelle mit 40
Stunden pro Woche werden also an vier Tagen jeweils zehn Stunden gearbeitet.
Reduzierung der Arbeitszeit auf 4*8 Stunden pro Woche bei gleicher Vergütung (Prinzip „100-80-100“)
Dieses Modell stellt insofern einen echten Benefit für die Beschäftigten dar, als die
Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich auf 80% reduziert wird. Das Prinzip „100-80-100“
besagt dabei, dass bei 100% Vergütung und 80% Arbeitszeit 100% Output geliefert
werden muss. Dies wird oft angestrebt durch eine Verschlankung von Arbeitsprozessen,
durch technische Verbesserungen, durch einen Wegfall unnötiger Abstimmungsschleifen und durch eine schlankere Hierarchie.
Reduzierung der Arbeitszeit auf 4*8 Stunden bei analoger Reduzierung der Bezüge (Teilzeitmodell)
Bei diesem Modell der 4-Tage-Woche handelt es sich um ein klassisches Teilzeitmodell, bei
dem sowohl die Arbeitszeit als auch die Bezüge auf 80% reduziert werden. Im Ergebnis
wird auch hier nur an vier Tagen gearbeitet.
Die saisonale 4-Tage-Woche
Dieses Modell eignet sich besonders für Betriebe, in denen das Arbeitsaufkommen sich
im Jahresverlauf unterschiedlich verteilt. Während in der „Saison“ an fünf oder sechs
Tagen pro Woche gearbeitet wird, erfolgt in der ruhigeren Zeit eine Reduzierung der
Arbeitszeit auf vier Tage pro Woche. Dem Grunde nach handelt es sich hier um ein Modell auf Basis eines Jahres-Arbeitszeitkontos.
Einstellung zur 4-Tage-Woche in
der deutschen Bevölkerung
Anhand der historischen Einordnung wird deutlich, dass es sich bei der 4-Tage-Woche
keineswegs um ein neues Konzept handelt, wobei – wie im vorherigen Abschnitt dargestellt zu beachten ist – es DIE 4-Tage-Woche gar nicht gibt. In den vergangenen Jahren hat es eine Reihe praktischer Umsetzungen verschiedener Modelle der 4-Tage-Woche gegeben – dazu später mehr –, eine flächendeckende Einführung ist aber bisher ausgeblieben. So zeigten Ergebnisse der Arbeitszeitbefragung der Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA, 2022), dass ein Großteil der Arbeitnehmenden ihrer Arbeit an fünf Tagen in der Woche nachgeht. Gleichzeitig wurde deutlich, dass
insbesondere Beschäftigte in Vollzeit mehrheitlich eine Reduktion ihrer Arbeitszeit (bei
entsprechender Veränderung des Arbeitsentgelts) bevorzugen würden (BAuA, 2022).
Wie stehen deutsche Arbeitnehmer*innen also zu der Idee einer 4-Tage-Woche?
Mit dieser Frage setzte sich unter anderem eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung auseinander (Lott & Windscheid, 2023). Diese beleuchtete neben der Haltung zur
4-Tage-Woche auch Gründe für eine Befürwortung oder Ablehnung.
Den Ergebnissen der Online-Befragung liegen die Daten von 2.575 sozialversicherungspflichtig – sowie vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer*innen mit vertraglich geregelten Arbeitszeiten zugrunde. In der Studie lag der Fokus auf einer 4-Tage-Woche mit entsprechender Arbeitszeitreduktion. Insgesamt zeigte sich, dass der Großteil der befragten Personen einer 4-Tage-Woche (bei entsprechender Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit) positiv gegenüber eingestellt ist. So äußerten etwa 80% der Befragten den Wunsch nach einer 4-Tage-Woche; davon fast 73% allerdings ausschließlich unter der Bedingung vollen Lohnausgleichs. Rund 17% der Beschäftigten sprachen sich gegen die 4-Tage-Woche aus, wohingegen 2 % angaben, ihrer Tätigkeit bereits im Rahmen einer verkürzten Arbeitswoche nachzugehen.
Als primäre Gründe für die Befürwortung einer 4-Tage-Woche stellten sich verschiedene zeitliche Aspekte heraus (vgl. Abb. 1): Mehr Zeit für sich selbst (knapp 97%), für die Familie (knapp 89%) sowie für Freizeitaktivitäten wie Hobbies (etwa 87%). Aber auch eine Reduzierung der Arbeitsbelastung wurde von der Mehrheit der Befragten (knapp 75%) als Grund für eine verkürzte Wochenarbeitszeit angegeben. Gesundheitliche Faktoren waren bei etwa einem Drittel (knapp 31%) von Bedeutung.
Arbeitnehmer*innen, die eine 4-Tage-Woche ablehnten, begründeten dies vor allem mit dem Spaß, den sie mit ihrer Tätigkeit verbinden (knapp 86%); ähnlich stark vertreten wurde die Begründung, dass gleichbleibende Arbeitsabläufe im Falle einer Einführung erwartet bzw. angenommen werden (82%). Knapp 77% waren zudem der Meinung, dass
ihr Arbeitspensum bei reduzierter Arbeitszeit nicht bewältigbar wäre. Etwas mehr als die
Hälfte (etwa 51%) führte einen finanziellen Aspekt an. Weniger im Vordergrund standen
bei den Gründen für eine Ablehnung hingegen die Sorge um häufige Vertretung von
Kolleg*innen (knapp 38%) sowie fehlendes berufliches Vorankommen (rund 34%).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Einführung einer 4-Tage-Woche (bei entsprechender Reduktion der Wochenarbeitszeit) unter den Befragten mehrheitlich gewünscht wurde. Für den Großteil jedoch war der volle Lohnausgleich Voraussetzung. Den Ergebnissen zufolge handelt es sich bei dem „100-80-100“-Prinzip folglich um das präferierte Modell (siehe Abschnitt „Modelle der 4-Tage-Woche“).
Auch empirisch wird das „100-80-100“-Modell in Deutschland derzeit im Rahmen eines
groß angelegten Pilotprojekts (Intraprenör, n.d.) zur 4-Tage-Woche untersucht, an dem
45 Unternehmen aus verschiedenen Branchen in der ganzen Bundesrepublik teilnehmen. In anderen Ländern wurden bereits entsprechende Pilotstudien durchgeführt (siehe
Abschnitt „Die Studienlage zum „100-80-100“-Modell“).
Die Studienlage zum „100-80-100“-Modell
Das wachsende Interesse an der 4-Tage-Woche wird unterstützt und getragen von mehreren, groß angelegten Pilotstudien welche die Umsetzbarkeit der Idee beweisen – zwei davon sollen hier genauer betrachtet werden.
Vereinigtes Königreich (2022)
Forscher*innen der Universität Cambridge und des Boston College, in Zusammenarbeit mit Non-Profit- bzw. Forschungsunternehmen wie Autonomy oder 4 Day Week Global, rekrutierten 61 britische Unternehmen aus unterschiedlichsten Sektoren (und unterschiedlichster Größen) zur Teilnahme an ihrer 6-monatigen Pilotstudie, welche über 2.900 Arbeitnehmer*innen umfasste (Lewis et al., 2023).
Die spezifische Implementierung der 4-Tage-Woche blieb den Unternehmen überlassen –
unter der einzigen Voraussetzung, dass das eingangs beschriebene „100-80-100“-Prinzip
Anwendung fand, die Mitarbeitenden also eine “bedeutungsvolle” Reduzierung der
Arbeitszeit (bei gleichbleibendem Gehalt und gleichem Anspruch an Arbeitsergebnisse) erlebten. Die spezifisch angewandten Modelle variierten – von einem unternehmensweiten,
festen freien Wochentag über eine Verteilung der freien Tage über die Belegschaft bis hin
zu saisonalen Reduzierungen, wie z. B. im Wintergeschäft in der Gastronomie (wobei
hier die durchschnittliche Wochenarbeitszeit pro Jahr auf unter die bisherige Norm der ca.
40 Stunden fallen musste).
Dies hebt hervor, wie wichtig es ist, dass die Unternehmen bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen involviert waren: Eine vorgeschriebene, rigide “Universalmethode”
würde der Individualität verschiedener Arbeitgeber*innen und Branchen nicht gerecht werden. Die Prämisse der 4-Tage-Woche ist es, dass die Produktivität der Arbeitnehmer*innen – reflektiert z. B. im Unternehmensumsatz – nicht sinkt. Um diesem
gerecht zu werden, wandten die Unternehmen verschiedene Methoden an: Unter anderem wurden Arbeitsabläufe optimiert und durchdacht, unnötige Meetings verkürzt, Zuständigkeiten klarer kommuniziert, störungsfreie “Fokuszeiten” etabliert oder Prozesse
automatisiert beziehungsweise digitalisiert. Nur zwei der 61 Unternehmen haben zur Produktivitätserhaltung zusätzliches Personal eingestellt.
Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit sank in der Studie von 38 auf 34 Stunden
– was nicht der anvisierten 32-Stunden-Woche entsprach (und dem Umstand geschuldet war, dass einige Unternehmen weniger als 20 % Reduktion gewährten oder bei über
40 Wochenstunden begonnen hatten), trotzdem aber eine merkbare Senkung darstellte.
Die Arbeitnehmer*innen bemerkten (in Prä-Post-Fragebögen und Interviews) positive Effekte: 39 % der Teilnehmenden berichteten zu Ende der Studie ein verringertes Stresserleben im Gegensatz zu vorher, 71 % von verringertem Burnout und 48 % von höherer Job-Zufriedenheit – einhergehend mit gestiegener, selbstbeurteilter Arbeitsqualität und dem Gefühl, selbstbestimmt arbeiten zu können. Mentales, emotionales und körperliches Wohlergehen wiesen signifikante Verbesserungen auf, z. B. in verringertem Erleben von Angst, selbstbeurteilter körperlicher Gesundheit oder Schlafqualität.
Weitere positive Ergebnisse stammten aus dem Alltag und dem Umfeld der Teilnehmenden: 60 % gaben an, dass sich Pflegeverantwortungen leichter mit dem Arbeitsalltag vereinen ließen, und 54 %, dass sie sich seltener zu müde für Aufgaben im Haushalt fühlten (häufig wurde anekdotisch berichtet, dass das nun mögliche Erledigen der Haushaltsaufgaben an Wochentagen zu qualitativ hochwertigeren Wochenenden führte). Die Zufriedenheit mit sozialen Beziehungen sowie die allgemeine Lebenszufriedenheit, stiegen signifikant an.
Auch auf Seiten der Unternehmen wurden positive, oder zumindest keine negativen, Ergebnisse berichtet (und auch eine Nicht-Veränderung, bspw. des Umsatzes, bei gesenkter Arbeitszeit ist als Erfolg für die 4-Tage-Woche zu verbuchen). Der durchschnittliche Umsatz war über die sechs Monate um 1,4 % gestiegen, während die Wahrscheinlichkeit von Kündigungen seitens der Belegschaft sank. Letztendlich haben 56 der 61 Unternehmen die Pilotstudie als so erfolgreich bewertet, dass sie die reduzierte Arbeitszeit auch nach den 6 Monaten beibehielten.
Island (2015-2020)
Die isländische Regierung demonstriert seit Jahren mit ihren Pilotstudien die Umsetzbarkeit reduzierter Arbeitszeit auch im öffentlichen Dienst. So testeten die Stadt Reykjavík und die Landesregierung Islands die 35-Stunden-Woche (bei vollem Lohnausgleich und gleichem Anspruch, also auch hier analog einem „100-80-100“-Modell) für über 2.500 Beschäftigte aus unterschiedlichen Bereichen, z. B. in Kindergärten, bei Sozialdiensten, Krankenhäusern oder der Polizei (Haraldsson & Kellam, 2021). Die Optimierung von Arbeitsabläufen, um trotz kürzerer Wochenstunden eine gleichbleibende Produktivität zu gewährleisten, stand auch in diesem Fall am Anfang der Studie.
Auch hier resultierte die reduzierte Arbeitszeit in signifikant größerem Wohlergehen und
niedrigerem Stresserleben während der Arbeit sowie in mehr Energie nach der Arbeit
– was wiederum erlaubte, verstärkt Hobbies nachzugehen, Sport zu treiben oder soziale
Beziehungen zu pflegen. Die Work-Life-Balance wurde als signifikant besser angegeben
und Haushaltsaufgaben ließen sich leichter in den Alltag integrieren, was sich in niedrigerem Stresserleben zu Hause niederschlug.
Die Befürchtung, dass die Reduktion der Arbeitszeit zu weniger bearbeiteten Fällen
oder längeren Wartezeiten für die Bürger*innen führen könnte, bewahrheitete sich nicht. In vielen Institutionen (bspw. im isländischen Immigrant*innenservice oder Reykjavíks Kin-
desschutzbehörde) zeigte sich keine Veränderung in der Zahl abgeschlossener Fälle. In
anderen Bereichen konnte eine Steigerung der Effizienz explizit nachgewiesen werden –
so zum Beispiel in der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von Fällen der Polizei (von
12,5 Tagen Bearbeitungsdauer im Vorjahr auf 7,6 Tage) oder dem Anteil beantworteter Anrufe in einem Callcenter der Stadt Reykjavík (96 % beantwortete Anrufe, verglichen mit
85 % in einem “Kontroll”-Callcenter). Die durchschnittliche Wartezeit veränderte sich
nicht.
Im Anschluss an die Pilotstudien gelang es isländischen Gewerkschaften, eine reduzierte
Arbeitszeit durchzusetzen – 86 % der arbeitenden Bevölkerung sind seitdem zu reduzierten Wochenstunden gewechselt oder haben das Recht erlangt, dies in Zukunft zu tun.
Diskussion der Studienergebnisse
Ausgehend von den dargestellten Studien liegen die Vorteile einer Arbeitszeitreduktion
für Mitarbeitende auf der Hand. Die Arbeitnehmer*innen berichten von weniger Stresserleben, von besserer Gesundheit, von größerer Motivation, von optimierter Work-
Life-Balance und von stärkeren sozialen Beziehungen. Von einem verringerten Stresserleben wird nicht nur außerhalb, sondern auch während der Arbeitszeiten berichtet,
was ein Indiz gegen die häufig angebrachte Befürchtung liefert, dass die „Arbeitsverdichtung“ eines „100-80-100“-Modells durch (zu) hohe Arbeitsintensität die Vorteile der gesenkten Stundenzahl zunichte mache.
Häufig wird argumentiert, dass eine gesenkte Arbeitszeit wirtschaftlich für die Unternehmen nicht umzusetzen sei und der gesamten Wirtschaft schade. Bundesfinanzminister Christian Lindner äußerte sich: “Es gibt weltweit und historisch keine Gesellschaft, die ihren Wohlstand dadurch erhalten hat, dass sie weniger arbeitet” (Redaktionsnetzwerk Deutschland, 2024). Jedoch scheint das Gegenteil der Fall – historisch geht wirtschaftliches Wachstum in der Regel mit einer Senkung der Arbeitszeiten einher. Gleichzeitig zeigt Abb. 2, dass je niedriger die durchschnittlich gearbeitete Zeit in einem Land, desto produktiver wird jede einzelne Stunde
genutzt.
Im Umkehrschluss: je mehr gearbeitet wird, desto weniger wird pro Stunde geleistet – es
besteht kein perfekter Zusammenhang zwischen Arbeitsmenge und Arbeitsleistung.
Trotzdem hält sich diese Fehlannahme im Diskurs über reduzierte Arbeitszeiten –
selbst wenn die Studienlage beweist, dass ein Erhalt der Produktivität trotz niedrigerer
Stundenzahl möglich ist. Analog ist es ein Irrglaube, dass wirtschaftlicher Erfolg ein Produkt der reinen Menge der Arbeit sei – vielmehr ist es die erhöhte Qualität der Arbeit
(durch Automatisierung, Digitalisierung, Vernetzung, Lieferkettenoptimierung u. v. m.),
die Wachstum hervorruft. Als weiterer Treiber wirtschaftlichen Wachstums sei hier der gesellschaftliche Konsum zu erwähnen – und es ist plausibel anzunehmen, dass dieser (bei
mehr verfügbarer Freizeit und gleichbleibendem Lohn) eher steigt als sinkt.
Entsprechend sollte es Teil jeder Implementierung einer 4-Tage-Woche sein, dass im
Vorfeld Prozesse effizienter gestaltet werden (auch wenn sich hier anmerken ließe, dass die Optimierung von Prozessen keineswegs eine neue Idee darstellt, sondern einen bereits
vorhandenen, fortlaufenden Prozess – der nur bis jetzt nie systematisch in Bezug zu Modellen mit einer verringerten tariflichen Wochenarbeitszeit gesetzt wurde). Wie in den
beschriebenen Pilotstudien demonstriert: verursacht durch höhere Mitarbeitendenmo-
tivation, weniger Krankheitsausfälle und bewusste Optimierung von Arbeitsabläufen in
der Vorbereitung bleibt der wirtschaftliche Schaden, wenn überhaupt vorhanden, gering.
Weiterhin wird argumentiert, dass reduzierte Arbeitszeit in Zeiten des herrschenden Fachkräftemangels nicht denkbar sei – teilweise wird sogar eine Erhöhung der Wochenstunden gefordert. Es ist jedoch kurzsichtig zu denken, dass die Lösung des Fachkräftemangels in einer verstärkten Beanspruchung des vorhandenen Personals durch längere Arbeitszeiten liege – vielmehr müssen die entsprechenden Stellen attraktiver gestaltet werden. Am Beispiel des Lehrkräftemangels: dieser wird nicht gelöst werden durch das Leisten längerer Arbeitszeiten oder durch größere Schulklassen, sondern durch weniger stressreiche Bedingungen – was beispielsweise durch eine 4-Tage-Woche gefördert werden könnte.
Als tatsächlicher Nachteil der 4-Tage-Woche ist festzuhalten, dass sich diese nicht gleichermaßen auf jede Branche anwenden lässt. In Berufen, die eine ständige Besetzung durch Mitarbeitende erfordern (beispielsweise um laufende Maschinen zu bedienen oder für Kund*innen erreichbar zu sein), ist der Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Arbeitsleistung oft stärker als in anderen Berufsfeldern. Unternehmen, welche ihre Gesamtarbeitszeit (über alle Mitarbeitenden) nicht reduzieren können, sähen sich gezwungen, mehr Personal einzustellen und zusätzliche Kosten in Kauf zu nehmen (da der Stundenlohn effektiv steigt) – was allerdings zum Teil durch gestiegene Attraktivität der Stellen, auch für ausländische Fachkräfte, und weniger Krankheitsausfälle kompensiert wird.
Auch muss kritisch angemerkt werden, dass die vielversprechenden Erfolge der Pilotstudien zum Teil in Novitätseffekten begründet sein können, da die Idee der 4-Tage-Woche momentan viel diskutiert wird und es entsprechend motivierend wirkt, Teil einer solchen Studie zu sein. So könnten die Studienteilnehmer*innen möglicherweise durch erhöhten Arbeitseinsatz (in der Qualität und Effizienz, nicht in der Menge) beweisen wollen, dass diese Idee funktioniert. Wenn reduzierte Arbeitszeit zur Norm (oder sogar gesetzlichen Vorschrift) wird, könnte die gesteigerte Effizienz, welche Produktivitätseinbußen vorbeugt, weniger stark ausgeprägt sein. Es gibt allerdings momentan keine festen Anhaltspunkte, dass dies zwingend der Fall sein wird.
Beispiele aus Deutschland
Neben weiteren internationalen “Vorreiter*innen” der 4-Tage-Woche, wie Microsoft Japan (2019; im „100-80-100“-Modell) oder dem Land Belgien, welches seit 2022 Arbeitnehmenden das Recht auf eine Umverteilung der Arbeitszeit auf vier Tage gewährt, gibt es immer mehr privatwirtschaftliche Unternehmen, vom Handwerksbetrieb über die Versicherungsagentur bis zum Steuerbüro, welche auch in Deutschland aktiv mit einer 4-Tage-Woche um Mitarbeiter*innen werben. In den meisten Fällen geschieht das nach dem Modell 4*10 Stunden pro Woche, immer häufiger jedoch auch bei vollem Lohnausgleich nach dem Modell „100-80-100“.
In der öffentlichen Verwaltung ist das Modell der 4-Tage-Woche noch immer eine Ausnahme. Dennoch gibt es in verschiedenen Organisationen diesbezüglich Versuche. Beispielhaft werden im Folgenden zwei Kommunen und ihre Ansätze vorgestellt: Seit 2023 bieten sowohl die Stadt Wedel in Schleswig-Holstein als auch die Stadt Mengen in Baden-Württemberg ihren Beschäftigten an, die wöchentliche Arbeitszeit an vier Tagen abzuleisten.
Die Stadt Mengen hat zum 01.06.2023 optional die 4-Tage-Woche eingeführt, ohne Lohnausgleich. Eine Verdichtung der Arbeitszeit auf 4*10 Stunden ginge – aufgrund geltenden Tarifrechts – mit einer Senkung des Urlaubsanspruchs einher (eine Einführung des „100-80-100“-Modells ist in der öffentlichen Verwaltung, ebenfalls aufgrund des Tarif- bzw. Beamtenrechts, nicht ohne weiteres möglich). Stattdessen bietet die Stadtverwaltung den eleganten Kompromiss an, die Kernarbeitszeit am Freitag abzuschaffen. Das Rathaus bleibt freitags geschlossen, Telearbeit wird vereinfacht ermöglicht, und die telefonische Erreichbarkeit muss nicht gewährleistet sein, was den Mitarbeitenden ein äußerst hohes Maß an Flexibilität gewährt. Man verspricht sich neben positiven Auswirkungen
auf die Work-Life-Balance der Belegschaft auch eine stärkere Attraktivität als Arbeitgeberin und positive Auswirkungen auf das Klima aufgrund gesenkten Energiebedarfs. Diese Informationen sind der Homepage der Stadt Mengen entnommen (Stadt Mengen, 2023).
In der Stadt Wedel wird ein ähnliches Arbeitszeitmodell angeboten. Auch hier besteht die
Möglichkeit, die wöchentliche Arbeitszeit auf vier Tage zu verteilen, was von einem Teil der
Beschäftigten angenommen wird. Änderungen der Servicezeiten für die Bürger*innen
gibt es hier nicht. Hintergrund für die Einführung der Maßnahme war der starke Konkurrenzdruck der Stadtverwaltung durch andere öffentliche Körperschaften in der Umgebung im Ringen um fähige Arbeitskräfte. Sie stellt ein weiteres Element dar im Rahmen einer insgesamt sehr beschäftigtenfreundlichen Arbeitszeitregelung. So gibt es bei der Stadt Wedel eine großzügige Gleitzeitregelung mit Dienstzeiten von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr, und das ohne feste Kernzeiten. Auch gibt es ein Jahresarbeitszeitkonto, das ein hohes Maß an Flexibilität erlaubt. Zudem ist mobiles Arbeiten an mehreren Tagen der Woche möglich. Die konkreten Absprachen erfolgen auf der Ebene der einzelnen Organisationseinheiten, die in der Ausgestaltung weitestgehend autark sind.
Eine mögliche Einführung der „100-80-100“-Regelung, die zurzeit, wie oben ausgeführt, noch an den rechtlichen Rahmenbedingungen scheitert, betrachtet man bei der Stadt Wedel skeptisch. Viel wichtiger, so der Tenor dort, sei eine maximale Flexibilität bei der Ausgestaltung der Arbeitszeit. Dies werde durch die hohe Akzeptanz der derzeit
geltenden Regelungen unter den Beschäftigten belegt. An dieser Stelle sei Herrn Amelung von der Stadtverwaltung Wedel gedankt, der diese Informationen freundlicherweise
zur Verfügung stellte.
Wie oben bereits erwähnt, startete im Februar 2024 ein groß angelegtes Pilotprojekt zur
4-Tage-Woche, an dem 45 Unternehmen aus verschiedenen Branchen in ganz Deutschland teilnehmen (Intraprenör, n.d.). Hierbei ist ausdrücklich eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich vorgesehen. Begleitet wird diese Pilotstudie von der Organisation 4 Day Week Global, die zuvor schon an entsprechenden Studien in den USA, Großbritannien, Irland, Australien, Neuseeland und Kanada beteiligt war. Die deutsche Studie wird darüber hinaus wissenschaftlich von der Universität Münster begleitet, im Beirat vertreten sind die Gewerkschaft IG Metall, der Arbeitgeberverband BDA sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Erste Ergebnisse werden gegen Ende des Jahres 2024 erwartet.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich ein positives Bild der 4-Tage-Woche festhalten. Das „100-80-100“-Modell bietet offenkundige Vorteile für die Gesundheit und Zufriedenheit
von Mitarbeitenden, stößt auf positive Resonanz in der Bevölkerung und lässt sich als
nächster Schritt in einer historischen Entwicklung zu besserem Arbeitsschutz und größerer Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit ansehen – und dies ohne wirtschaftliche
Einbußen in Kauf nehmen zu müssen, wie Pilotstudien demonstrieren. Die Umverteilung
der 40 Wochenstunden auf vier Tage bietet eine Alternative zum „100-80-100“-Modell,
welche auch die öffentliche Verwaltung etablieren kann, um an Flexibilität für die Beleg-
schaft zu gewinnen.
Dennoch soll nicht unerwähnt bleiben, dass die 4-Tage-Woche nicht eine allumfassend
perfekte Lösung darstellt: sie lässt sich nicht gleichermaßen auf alle Betriebe und Tarifverträge anwenden und es bedarf einer gründlichen – wenn auch zweifelsohne möglichen – Umstrukturierung, Optimierung und Verschlankung von Arbeitsprozessen.
Insgesamt stellt eine Reduktion oder Umverteilung der wöchentlichen Arbeitszeit ein realistisches Mittel dar, um eine zeitgemäße Arbeitswelt zu gestalten, als Arbeitgeber*in
an Attraktivität zu gewinnen und die Gesundheit der Mitarbeitenden nachhaltig zu fördern.
Das Literaturverzeichnis zum Beitrag finden Sie im aufgeführten Download-PDF.
Stefan Fischer
Diplom-Psychologe
E-Mail: fischer@dgp.de
Stefan Fischer gehört seit 2022 zum Team der dgp-Geschäftsstelle Düsseldorf. Er ist Psychologe mit langjähriger Berufserfahrung und hat seinen Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich der Eignungsdiagnostik für den öffentlichen Dienst, vor allem im Führungs- und Nachwuchskräfte-Segment.
Moritz Stabe
M. Sc. Psychologie
E-Mail: stabe@dgp.de
Moritz Stabe beschäftigt sich bei der dgp primär mit Assessment-Center-Verfahren für Nachwuchs-, Fach- und Führungskräfte sowie der
mentalen und körperlichen Gesundheit am Arbeitsplatz.
Lilian Topp
M. Sc. Psychologie
E-Mail: topp@dgp.de
Lilian Topp ist Co-Leiterin der dgp-Geschäftsstelle Düsseldorf. Schwerpunktmäßig begleitet sie Assessment-Center-Verfahren und
führt Trainings sowie Workshops zu verschiedenen personalrelevanten Themen durch.