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Fachbeitrag: Emotionale Führung als Erfolgsfaktor

Imagebild Leuchtturm bei Sturm

Autorin: Irene Melendez Gonzalez

Ein Beitrag der dgp informationen – das Download-PDF finden Sie am Ende des Artikels.

Die digitale Transformation und der Generationswandel erfordern ein neues Verständnis von Führung. Die Komplexität der neuen Arbeitswelt und das Streben nach einer erfüllenden Tätigkeit, ebenso wie der Wunsch nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance, verändern die Anforderungen an Führungskräfte. Angesichts dieser Entwicklung gewinnen die Berücksichtigung weicher Faktoren in der modernen Unternehmensführung und die Integration emotionaler Themen immer mehr an Bedeutung. Ein Führungsstil, der primär auf persönlicher Anweisungsbefugnis und Hierarchie basiert, wird diesen Anforderungen nicht mehr in ausreichendem Maße gerecht (Müller & Müllner, 2021).

Emotionale Führung fördert die Entwicklung und Entfaltung des menschlichen Potenzials und ermöglicht positive Erfahrungen. Diese Art der Führung berücksichtigt die grundlegenden Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen, verhindert mentale Blockaden und führt zu größerer Arbeitszufriedenheit sowie Leistungsfähigkeit. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über das Konzept der emotionalen Führung und die Implikationen für den Führungsalltag. Ebenso wird auf den Ansatz der transformationalen Führung eingegangen.

Woher kommt der Begriff „Emotionale Führung“?

Der Begriff „Emotionale Führung“ stammt aus dem Bereich der emotionalen Intelligenz und der Organisationspsychologie. Daniel Goleman machte die emotionale Intelligenz in seinem Buch „Emotionale Intelligenz“ von 1995 populär. Als die Bedeutung der emotionalen Intelligenz für die Arbeitswelt deutlich wurde, begann man zu erforschen, wie die Fähigkeit einer Führungskraft, Emotionen zu verstehen und zu steuern, die Leistung und das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen beeinflussen kann. Daraus entstand das Konzept der „Emotionalen Führung“. Weitere wissenschaftliche Erkenntnisse, die diese Art der Führung als erfolgreich beschreiben, stammen aus der Positiven Psychologie und den Neurowissenschaften (Barsade, 2002; Davidson & Begley, 2012).


Emotionale Führung zeichnet sich durch einen bewussten Umgang mit den eigenen und den Emotionen anderer aus. Diese Art der Führung erfordert die Fähigkeit, die eigenen Emotionen und die der anderen zu erkennen, zu verstehen und zu steuern. Dieser Ansatz leitet sich aus dem Konzept der transformationalen Führung ab, bei dem man davon ausgeht, dass das eigene Verhalten einen Einfluss auf die anderen hat. Dabei sind Kenntnisse und Verständnis der psychologischen Grundbedürfnisse hilfreich.
Je besser diese Mechanismen verstanden werden und je besser positive Emotionen erzeugt werden können, desto besser gelingt es, eine gesunde Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der sich die intrinsische Motivation der Mitarbeiter*innen entfalten kann (Mourlane et al., 2013).


Die transformationale Führung erfolgt durch das Vorbildverhalten der Führungskräfte, die sich an den psychologischen Grundbedürfnissen der Mitarbeiter*innen orientieren, die gemeinsame Werte vermitteln und soziale Unterstützung bieten und die somit auch emotional führen. Die wissenschaftliche Literatur unterstreicht diesen Führungsstil für die Förderung der Resilienz der Mitarbeiter*innen im Vergleich z. B. zur transaktionalen Führungsmethode. Dieser letzgenannte Ansatz basiert auf der klassisch ökonomischen Betrachtung des Austauschs.


Im Gegensatz zur transformationalen Führung, die auf Motivation und Entwicklung von Mitarbeiter*innen abzielt, legt die transaktionale Art des Führens den Schwerpunkt auf die Verwaltung und Kontrolle von Arbeitsprozessen (siehe Tabelle 1). Besonders in Zeiten schneller Veränderungen und wirtschaftlicher Krisen erweist sich eine emotionale Art des Führens als vorteilhaft für Unternehmen, da sie die Bereitschaft der Mitarbeiter*innen fördert, sich auf Veränderungen einzulassen. Emotionale Führung vermittelt Aufklärung, zudem eine optimistische Vision für die Zukunft und ermutigt, an neuen Lösungsansätzen zu arbeiten (Kuhn-Jahns, 2016).

Tabelle 1: Ansätze zur Mitarbeitendenmotivation und Leistungssteigerung im Vergleich der beiden Führungsstile nach Müllner, M. & Müllner, C. (2021)

Transaktionaler FührungsstilTransformationaler Führungsstil
Merkmale — Führungskräfte greifen nur ein, wenn es zu Abweichungen von den vorgegebenen Regeln kommt.

— Anweisungen und Richtlinien werden verfolgt, ohne Frage zu stellen.

— Mitarbeitende erhalten Belohnungen, wenn sie bestimmte Ziele erreichen oder bestimmte Leistungsstandards erfüllen.
— Führungskräfte vermitteln eine klare und inspirierende Vision. Interesse, Bedürfnisse von Mitarbeitenden werden berücksichtigt. Eine individualisierte Betreuung findet statt.

— Mitarbeitende werden aktiv bei Entscheidungen involviert. Die Fähigkeit zur Problemlösung und Innovation wird gefördert.

— Führungskräfte agieren als Vorbilder und präsentieren ethische Standards sowie Werte, die die Mitarbeitenden beeinflussen sollen.
Fokus Extrinsische MotivationIntrinsische Motivation
Leitbild Ich möchte, dass du es tust!Ich möchte, dass du es tun willst!


Was sollten Führungskräfte tun?

Emotionale Führung bedeutet nicht automatisch, dass Führungskräfte dafür verantwortlich sind, die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen ständig zu erfüllen. Vielmehr geht es darum, durch das eigene Führungsverhalten zu deren Erfüllung beizutragen. Wenn Menschen positive Emotionen empfinden, wirkt sich das automatisch auf ihre Leistung, Kreativität und Gesundheit aus.

Aus der Neuropsychologie wissen wir (Grawe, 2004), dass positive Emotionen auf fünf psychologischen Grundbedürfnissen basieren:

Abbildung 1 zeigt die fünf psychologischen Grundbedürfnisse: 1) Kontrolle und Orientierung, 2) Lustgewinn, 3) Bindung, 4) Kohärenz / Konsistenz und 5) Selbstwert. Diese psychologischen Grundbedürfnisse sind nach Mourlane und Grawe definiert.

Das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung

Menschen streben nach Erlebnissen, die positive Emotionen wie Spaß und Freude bereiten. Unbewusst kategorisieren wir, ob unsere Erfahrungen „gut“ oder „schlecht“ sind.

Für eine emotional intelligente Führungskraft bedeutet dies, sich damit auseinanderzusetzen, inwieweit sie den Mitarbeiter*innen im Alltag die Möglichkeit bieten kann, ihre Stärken einzusetzen und somit entsprechende Erfahrungen am Arbeitsplatz machen zu können. Auch die erforderlichen Ressourcen zur Erfüllung der Aufgaben sollten vorhanden sein, damit Mitarbeiter*innen Erfolge erleben und positive Emotionen sowie ein gestärktes Selbstbewusstsein empfinden können.

Mögliche Fragen zum Reflektieren des eigenen Führungsverhaltens: Inwiefern berücksichtige ich die Interessen bzw. Stärken meiner Mitarbeiter*innen und setze diese in den richtigen Projekten und Aufgaben ein? Sorge ich für ein Umfeld, in dem Fehler passieren dürfen?

Das Bedürfnis nach Kohärenz / Konsistenz

Unsere Tätigkeit soll einen Sinn ergeben. Wenn eine Führungskraft einen emotionalen Führungsstil verfolgt, sollte sie den Mitarbeiter*innen vermitteln können, welchen Beitrag diese mit ihrer Arbeit zum Unternehmenserfolg leisten können.

Das Aufzeigen von Zusammenhängen ist ein wesentlicher Aspekt, um auch in Krisenzeiten gut voranzukommen, insbesondere wenn unpopuläre Entscheidungen getroffen werden müssen. Auch inkonsistente Unternehmensentscheidungen müssen rechtzeitig erneut erklärt werden, um Unsicherheit, Ängste oder Missverständnisse zu vermeiden.

Mögliche Fragen zum Reflektieren des eigenen Führungsverhaltens: Agiere ich als Vorbild? Inwiefern gelingt es mir, Änderungen rechtzeitig zu kommunizieren und die Sinnhaftigkeit der Arbeit im Team bzw. Unternehmen allgemein darzustellen?

Das Bedürfnis nach Bindung

Die Identifikation mit einer Mission, Aufgabe, einem Team oder dem Unternehmen schafft Bindung. Dafür müssen gute Kommunikationskanäle aufgebaut werden, die den Austausch zwischen Menschen ermöglichen und Vertrauen und damit Bindung aufbauen.

Führungskräfte sollten regelmäßigen Kontakt zu ihren Mitarbeiter*innen suchen und sie vor allem in herausfordernden Zeiten unterstützen. Auch das gemeinsame Feiern von Erfolgen stärkt die Bindung im Team. Natürlich gehört dazu auch der Respekt vor dem Distanzbedürfnis der Mitarbeiter*innen und die Wahrung der Privatsphäre.

Mögliche Fragen zum Reflektieren des eigenen Führungsverhaltens: Wie gut bin ich darin, Mitarbeiter*innen sowohl in privat als auch in beruflich herausfordernden Situationen zu unterstützen und emphatisch zu bleiben? Welche Methoden wende ich an, um meine Mitarbeiter*innen an das Unternehmen bzw. Team zu binden?

Bedürfnis nach Orientierung / Kontrolle

Menschen benötigen das Gefühl, bestimmte Dinge unter Kontrolle zu haben. Damit Menschen sich Herausforderungen stellen und außerhalb ihrer Komfortzone handeln können, ist es auch wichtig, ihnen Orientierung zu bieten. Gespräche, in denen Ziele klar kommuniziert und festgelegt werden, geben Sicherheit und Richtung und helfen Mitarbeiter*innen dabei, fokussierter und sicherer zu arbeiten.

Besonders in Veränderungsprozessen ist das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle von großer Bedeutung, da damit ein hohes Maß an Unsicherheit einhergeht. Um Veränderungen darzustellen, müssen Führungskräfte den Sinn, Zweck und Ablauf des Wandels klar verstehen und dadurch offene Fragen der Mitarbeiter*innen überzeugend beantworten können. Die Einbindung der Mitarbeiter*innen in Veränderungsprozesse ermöglicht Kontrolle und Wertschätzung.

Mögliche Fragen zum Reflektieren des eigenen Führungsverhaltens: Gelingt es mir, klare Ziele zu definieren und zu kommunizieren? Versuche ich, meine Mitarbeiter*innen in die Vereinbarung von Zielen bzw. Entscheidungsprozessen einzubinden? Gebe ich den Raum zur Entfaltung und Umsetzung nnovativer, kreativer Aufgaben?

Bedürfnis nach Selbstwert

Das Bedürfnis nach Selbstwert steht in Verbindung mit dem psychologischen Konstrukt der „Selbstwirksamkeit“. Der Psychologe Albert Bandura entwickelte 1977 die Theorie der „Selbstwirksamkeitserwartung“ (self efficacy). Diese Theorie besagt, dass wir bestimmte Aufgaben oder Handlungen nur ausführen, wenn wir überzeugt sind, dass wir sie erfolgreich bewältigen können. Führungskräfte können beispielsweise das Selbstvertrauen stärken, indem sie bestimmte Erfolgserlebnisse ermöglichen und neue Herausforderungen übertragen. Je mehr Übung und positive Erfahrungen Mitarbeiter*innen sammeln, desto mehr werden sie sich zutrauen. Ängste und Hemmungen werden dabei konfrontiert und negative Denkmuster aufgelöst.

Auch das soziale Umfeld und positive Erwartungen anderer können unsere Motivation und Leistung stärken. Dies beschreibt auch das psychologische Phänomen, das als „Rosenthal-Effekt“ bekannt ist. Dabei zeigt sich kontinuierlich, dass positive Erwartungen an eine Person die Entwicklung und das Verhalten der Person objektiv in diese Richtung lenken.

Mögliche Fragen zum Reflektieren des eigenen Führungsverhaltens: Wie oft und wie kommuniziere ich Lob und Wertschätzung gegenüber meinen Mitarbeiter*innen? Wie oft ermutige ich mein Team, auch ungewohnte bzw. herausfordernde Projekte anzugehen?

Viele der hier aufgeführten Verhaltensweisen gehen im Alltagsgeschäft unter. Es ist wichtig, immer wieder darauf zu achten und sich Raum zu schaffen, um auch Feedback von der Belegschaft zu erhalten. Bei dem Konzept der psychologischen Grundbedürfnisse geht es darum, die Mitarbeiter*innen ganzheitlich zu verstehen. Dabei ist es wichtiger, die richtigen Fragen zu stellen und aktiv zuzuhören, als selbst zu sprechen. Nur so wird man verstehen, was hinter dem Verhalten und den Gefühlen der Mitarbeiter*innen steckt, und zielführende Maßnahmen können entsprechend eingeleitet werden.

Checkliste: Welche Eigenschaften bzw. Fähigkeiten zeichnen eine emotional intelligente Führungskraft laut Daniel Goleman aus? Selbstbewusstsein: Sie kennen Ihre Stärken und Schwächen und sind sich über Ihre Wirkung auf andere bewusst. Empathie: Sie können sich in die Lage anderer Menschen hineinversetzen und Bedürfnisse bzw. Anliegen Ihrer Mitarbeiter*innen verstehen und sich darauf einstellen. Konfliktlösung: Sie sind in der Lage, Konflikte rechtzeitig zu erkennen und anzugehen. Bei Konflikten versuchen Sie, die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen und konstruktive Lösungen im Sinne von Win-win-Situationen zu erarbeiten. Selbstregulierung: Sie können Ihre eigenen Emotionen kontrollieren und in stressbelasteten Situationen besonnen und rational handeln. Dadurch vermeiden Sie impulsives Verhalten und übermäßige Reaktionen. Personalentwicklung: Sie kennen die Schwächen, Stärken, Bedürfnisse und Interessen Ihrer Mitarbeiter*innen. Sie fördern deren Potenzial, unterstützen deren persönliche und berufliche Entwicklung und schaffen Raum zur Entfaltung. Motivation: Sie sind intrinsisch motiviert in Ihrer Rolle und sind in der Lage, Ihre Begeisterung auf andere zu übertragen. Sie agieren als Vorbild, inspirieren Mitarbeiter*innen und sind in der Lage, klare Ziele für das Team zu definieren. Soziale Fähigkeit: Sie können gut kommunizieren und mit anderen effektiv und kooperativ zusammenarbeiten.

Fazit

Emotionale Führung konzentriert sich auf den Umgang mit den eigenen Emotionen und denen anderer als effektive Führungsstrategie. Die Vorteile der emotionalen Führung sind erheblich: Teams, die unter diesem „Führungsstil“ geführt werden, sind in der Regel produktiver und engagierter. Die Mitarbeiter*innen fühlen sich wertgeschätzt und verstanden, was ihre Arbeitszufriedenheit und Loyalität gegenüber dem Unternehmen erhöht und auch eine große Auswirkung auf deren Gesundheit hat.

Darüber hinaus sind emotionale Führungskräfte besser in der Lage, Konflikte zu bewältigen und Probleme effektiv zu lösen, was zu einem harmonischen und kooperativen Arbeitsumfeld beiträgt. Besonders durch die hohe Komplexität und Dynamik der neuen Arbeitswelt ist die Berücksichtigung der Mitarbeitendenbedürfnisse ein wichtiger Bestandteil einer modernen Unternehmenskultur und Führungsphilosophie.

Das Literaturverzeichnis zum Beitrag finden Sie im aufgeführten Download-PDF.


Irene Melendez Gonzales

Diplom-Psychologin
E-Mail: melendezgonzalez@dgp.de

Irene Melendez Gonzalez ist am Standort Berlin als Psychologin im Bereich der Personalauswahl, der Personalentwicklung sowie der Organisationsentwicklung tätig. Ihr Schwerpunkt umfasst die Eignungsdiagnostik, einschließlich der Durchführung, Auswertung, Nacharbeitung und Schulung von Assessment-Centern nach den Qualitätsstandards der DIN 33430. Darüber hinaus ist sie für die Konzeption und Durchführung von Seminaren zu psychologischen Themen für Führungskräfte und Führungsnachwuchskräfte verantwortlich. Zu ihren Aufgaben gehören auch Führungs- und Bewerbungscoachings sowie die Durchführung von Konfliktmoderationen.

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