Dr. Ulrich Stadelmaier, stellvertretender Gesamtleiter der dgp und Leiter der dgp-Geschäftsstelle Leipzig, spricht über das Zusammenspiel von Menschen und Geschäftsprozessen und den daraus resultierenden Herausforderungen für Organisationen, insbesondere in der öffentlichen Verwaltung.
Was hat Sie zur dgp, der Deutschen Gesellschaft für Personalwesen e.V., gebracht, und welchen beruflichen Hintergrund haben Sie?
Als Absolvent war ich auf der Suche nach einem Job, der mir eine gute Balance zwischen wissenschaftlicher Haltung und praktischer Relevanz bietet – dass ich dann bei der dgp gelandet bin, hat nicht zuletzt auch mit ein wenig Glück zu tun. Von Beruf bin ich Diplom-Psychologe. Über die Jahre habe ich mich intensiv mit Führung und Organisation beschäftigt – nicht allein psychologisch, sondern nicht zuletzt auch betriebswirtschaftlich.

Dr. Ulrich Stadelmaier
Stellvertretender Gesamtleiter dgp e.V.
Die dgp versteht sich als Personalberatung. Was hat denn Geschäftsprozessmanagement mit Personalberatung zu tun?
Der beste Prozess taugt nichts, wenn Menschen ihn nicht tragen. Deshalb berücksichtigt man heutzutage beim Geschäftsprozessmanagement immer das Zusammenspiel Mensch – Aktion – Daten. Bei einem Geschäftsprozess geht es ja um die Verkettung meist zahlreicher Einzelaktionen von mehreren Beteiligten, mit dem Ziel, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Selbstverständlich spielen da die Akteure, also die Mitarbeitenden, eine tragende Rolle. Womit wir beim Personal wären. Auch unabhängig von der Beratung bei Personalauswahl und Personalentwicklung, was ja eine Kernkompetenz der dgp ist, bringen wir unsere Expertise in Sachen Organisationsentwicklung in die Geschäftsprozesse unserer Kund*innen ein. Damit meinen wir die Einbindung und Optimierung der Geschäftsprozesse im Sinne einer einheitlichen Unternehmenskultur bzw. -strategie.
Wo hakt es bei Geschäftsprozessen besonders häufig?
Typische Aspekte, die dabei auf Ebene der Aktionen deutlich werden, sind zum Beispiel Defizite im Prozessablauf. Dazu gehören sequenzielle Abfolgen parallelisierbarer Aktivitäten oder vermeidbare Rücksprünge. Dazu zählen auch vermeidbare Medien-, System-, Organisationsbrüche oder ein zu geringer Automatisierungsgrad, wenn zum Beispiel zu viele Aktivitäten manuell ausgeführt werden müssen.
Bearbeitet man diese Aspekte aus Perspektive der Aktionen, dann drängen sich auf Datenebene gleich die nächsten Handlungsfelder auf: Die eingesetzten IT-Systeme sind veraltet und weisen Defizite hinsichtlich Funktionalität und Laufzeitverhalten auf oder die eingesetzten IT-Systeme sind zu heterogen bzw. nicht hinreichend kompatibel. Was auch häufig vorkommt: Datenbestände werden nicht oder in zu geringem Umfang in einer zentralen, integrierten Datenbank verwaltet.
Und bei all diesen Themen auf Aktions- und Datenebene landet man unausweichlich bei den Menschen: Mangelnde Schulung oder Qualifikation der ausführenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Defizite bezüglich der Organisationsstruktur, Personalmangel oder -überhang, Unklarheiten über Zuständigkeiten und daraus erwachsende Konflikte. Das könnte man noch sehr lange fortsetzen…
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen strategischem und operativem Geschäftsprozessmanagement?
Zwischen strategischem und operativem Geschäftsprozessmanagement gibt es eine wichtige Unterscheidung: Aufgabe des ersteren ist es, Prozesse der Organisation so abzugrenzen und aufeinander abzustimmen, dass eine Wertschöpfungskette entsteht, die die Organisationsstrategie umsetzt. Auf operativer Seite gilt es dann konkret Prozesse zu modellieren und hinsichtlich verschiedener Erfolgsfaktoren wie Nutzen, Kosten, Zeit, Flexibilität oder Qualität zu optimieren und in den Echtbetrieb zu überführen.
Haben Sie ein Lieblingsprojekt aus Ihrer eigenen Praxis bei der dgp?
Unter meinen Top-Ten ist auf jeden Fall die Organisationsentwicklung der Bauverwaltung der Stadt Münster in Hessen. Denn auch bei der öffentlichen Verwaltung bzw. in Behörden steigt der Druck, effizienter zur arbeiten und deswegen die Geschäftsprozesse zu optimieren. Auf Basis der Ergebnisse einer Personalbedarfsmessung haben wir analysiert, dass das vorhandene Personal einer sehr hohen quantitativen Arbeitsbelastung gegenüberstand, während die fachlichen Qualifikationen des vorhandenen Personals nicht ausgeschöpft wurden. Es bestand also entweder die Möglichkeit, zusätzliches Personal mit geringer Qualifikation zu gewinnen oder aber die Prozesse in einer Weise zu optimieren, die es ermöglicht, vorhandene Aufgaben mit dem vorhandenen Personal besser zu bewältigen. Die Gemeinde Münster hat sich dann für die zweite Option entschieden und dieses Projekt mit uns zusammen realisiert – zur Zufriedenheit aller Beteiligten.
Durch die Coronapandemie mussten fast alle Verwaltungen und Unternehmen in vielen Bereichen umdenken, so auch in der Gestaltung ihrer Geschäftsprozesse. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Organisationen gewesen bzw. sind es immer noch?
Zu akzeptieren, dass Virtualität, Digitalisierung, Automatisierung oder wie auch immer wir es nennen, am Ende des Tages immer wieder zu folgender Erkenntnis führt: Es geht nicht nur um Geld oder Technik. Vor allem geht es um Vertrauenskultur in der Zusammenarbeit.